Ich bin noch vor Ort

Zuletzt aktualisiert am 4. Juli 2022

Flug verspätet oder gecancelt: Welche Ansprüche gelten?

Der Andrang an den Flughäfen, vor allem in der Ferienzeit, ist gross. Aktuell kommt es im Luftverkehr aufgrund von Überlastungen zu Verspätungen oder gar Annullierungen. Wir sagen Ihnen in unserem Rechtstipp, welche Rechte Flugpassagiere haben, wenn der Flug nicht nach Plan erfolgt ist.

Fliegen Sie je nach Entfernung mit mehr als dreistündigen Verspätung ab, wird ihr Flug annulliert oder werden Sie nicht befördert, obwohl Sie pünktlich beim Check-In oder Gate waren, so haben Sie Anspruch auf Betreuungsleistungen und gegebenenfalls auch Ausgleichszahlungen. Sie können diese mittels unseres Musterbriefes einfordern. Bei Flügen aus der Schweiz in Drittstaaten oder umgekehrt entfällt bei Verspätungen die Entschädigung gänzlich.

Wichtig ist, dass Sie in den oben erwähnten Fällen sofort einen Vertreter oder eine Vertreterin der Fluggesellschaft am entsprechenden Desk aufsuchen oder telefonisch kontaktieren. Bleibt die Entschädigung der Fluggesellschaft aus, können Sie sich an die zuständige nationale Aufsichtsbehörde wenden. In der Schweiz ist dies das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL). Grundsätzlich empfehlen wir, Forderungen sofort geltend zu machen; die Verjährungsfristen betragen im europäischen Raum aber in der Regel drei Jahre.

Kriterien bei Annullierungen und Nichtbeförderung

Wird ein gebuchter Flug annulliert oder ist der Flug überbucht und Sie werden nicht befördert, haben Sie nach der EU-Verordnung 261/2004 auf einen Ersatzflug und Betreuungsleistungen (inkl. Mahlzeiten, Erfrischungen, Telefonate, Hotelunterkünfte, Transfer) und eine Entschädigung. Informiert Sie die Fluggesellschaft jedoch bereits 14 Tage im Voraus über den Ausfall, entfällt der Anspruch auf Ausgleichszahlung.

Je nach Flugdistanz haben Sie Anspruch auf eine Entschädigung in folgender Höhe:

  • Kurzstrecke mit einer Distanz bis zu 1'500 km: 250 €
  • Mittelstrecken mit einer Distanz zwischen 1'500 km und 3'500 km: 400 Euro
  • Langstrecken über 3'500 km, innerhalb der EU: 400 Euro
  • Langstrecken über 3'500 km: 600 Euro

Die Entschädigung kann halbiert werden, wenn sich Ihre Reise, je nach Entfernung, nicht länger als 2, 3 oder 4 Stunden verzögert.

Kriterien bei Verspätungen im EU-Raum

Die EU-Verordnung Nr. 261/2004 regelt einzig Entschädigungen bei Überbuchungen und Annullierungen. Ausgleichszahlungen im Falle einer Verspätung sieht sie jedoch nicht vor. Dennoch gibt es Gerichtsentscheide des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die festhalten, dass ab einer entsprechenden  Verspätung die EU-Verordnung Nr. 261/2004 analog zur Anwendung gelangt.

Verspätung beim Abflug

Bei einem verspäteten Abflug von mind. 2 Stunden muss die Fluggesellschaft Betreuungsleistungen anbieten. Darunter fallen Getränke und Mahlzeiten sowie je nach Wunsch zwei Telefonate, Emails oder Faxe. Wird der Abflug auf den Folgetag verschoben (Datumswechsel), muss die Airline zudem eine Hotelunterkunft (inklusive Transfer) zur Verfügung stellen.

Beträgt die Verspätung fünf Stunden oder mehr können Sie entscheiden, ob Sie den Flug überhaupt antreten wollen. Falls nicht, haben Sie Anspruch auf die Rückerstattung des Ticketpreises. Falls nötig, muss Ihnen die Fluggesellschaft zudem von einem Zwischenstopp einen kostenlosen Rückflug zum Abflugort anbieten.

Verspätung bei Ankunft

Gemäss aktueller Rechtsprechung des EuGH stehen Fluggästen die gleichen Ausgleichsleistungen wie bei einer Annullierung zu, wenn sie eine Verspätung von mehr als drei Stunden erleiden. Die Staffelung der Entschädigung bei einer um über drei Stunden verspäteten Ankunft am Zielort (als Zeitpunkt gilt das Öffnen der Flugzeugtüren) entspricht derjenigen bei Flugausfällen:

  • Kurzstrecke mit einer Distanz bis zu 1'500 km: 250 €
  • Mittelstrecken mit einer Distanz zwischen 1'500 km und 3'500 km: 400 Euro
  • Langstrecken über 3'500 km, innerhalb der EU: 400 Euro
  • Langstrecken über 3'500 km: 600 Euro

 

Verzwickte Rechtslage in der Schweiz

Grundsätzlich gilt für alle Airlines, die von einem Schweizer oder EU-Flughafen starten, die EU-Verordnung Nr. 261/2004. Da diese jedoch nur die Annullierung sowie die Nichtbeförderung regelt und keine Ausgleichszahlungen bei Verspätung vorsieht, basiert ein entsprechender Anspruch einzig auf Entscheiden des EuGH.

Die Krux: Im Nicht-EU-Land Schweiz müssen zivile Gerichte den Entscheiden des EuGH nicht zwingend Folge leisten. Das Bezirksgericht Bülach wies im Jahr 2016 nach zwei ähnlichen Urteilen in Basel eine Entschädigung bei Verspätung ab, worauf Ausgleichszahlungen von Schweizer Airlines wie etwa Swiss verweigert wurden. Aussicht auf eine Ausgleichszahlung gibt es dennoch: Kunden, die Entschädigungsforderungen für einen EU-Flug aus oder in die Schweiz geltend machen wollen, der verspätet war, können beim Zivilgericht am Abflugs- oder Ankunftsort innerhalb der EU klagen. Wer von der Schweiz aus in einen Drittstaat fliegt oder umgekehrt, hat bei Verspätungen jedoch keinen Anspruch auf Entschädigungen.

BAZL kommt bei Annullierung ins Spiel

Falls Ihnen die Fluggesellschaft bei Abflug aus der Schweiz und in die Schweiz nach einer Annullation oder Überbuchung die entsprechende Entschädigung vorenthält, Sie mit deren Antwort nicht zufrieden sind oder keine Rückmeldung oder Ausgleichszahlung erhalten haben, empfehlen wir nach Ablauf von sechs Wochen direkt beim BAZL eine Anzeige einzureichen. Das BAZL ist als Aufsichtsbehörde für die Durchsetzung der EU-Verordnung in der Schweiz zuständig. Benutzen Sie hierfür den folgenden Meldebrief. Das BAZL prüft den entsprechenden Fall und fordert die Fluggesellschaft zu einer Stellungnahme auf. Wird ein Verstoss gegen die Verordnung festgestellt, kann das BAZL die Fluggesellschaft büssen. Um einer Busse durch das Bundesamt zu entgehen, ziehen es die Fluggesellschaften in den meisten Fällen vor, die Entschädigung zu begleichen.

Achtung

Ist die Verspätung oder Annullierung auf aussergewöhnliche Umstände zurückzuführen, etwa auf einen Vulkanausbruch, die Wetterverhältnisse oder eine Terrordrohung, besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung; die Betreuungspflichten bleiben jedoch bestehen. Gemäss einem Urteil des EuGH im Jahr 2015 fallen technische Defekte nicht darunter.

Über die Passagierrechte informiert das BAZL werktags von 14 bis 16 Uhr unter Tel. 058 465 95 96 oder per Email an passengerrights@bazl.admin.ch

Sind Sie bereits bei JUSTIS versichert oder prüfen Sie ein monatlich kündbares Rechtsschutz-Abo bei uns abzuschliessen? Wer bei JUSTIS versichert ist, verliert bei Abflügen, die nicht nach Plan erfolgt sind, keine unnötige Zeit. JUSTIS fordert in diesem Fall für Sie bei der entsprechenden Fluggesellschaft Ihr Recht ein.

Gepostet am 29. September 2016