Das Sexualstrafrecht in der Schweiz wurde umfassend revidiert und das neue Gesetz ist am 1. Juli 2024 in Kraft getreten. Die zentrale und am meisten diskutierte Änderung ist die Verankerung des Prinzips "Nein heisst Nein". Doch was genau bedeutet diese Gesetzesänderung für die Menschen in der Schweiz? Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Neuerungen und ihre praktischen Auswirkungen.
Sexuelle Handlungen ohne Zustimmung – auch nonverbal – sind strafbar, selbst ohne Zwang oder Gewalt.
Das Gesetz schützt neu auch Männer und anerkennt das "Freezing" als Ausdruck fehlender Einwilligung.
Für Betroffene bedeutet die Reform mehr Schutz – für Täter mehr Verantwortung.
Vor der Revision basierte das Schweizer Sexualstrafrecht massgeblich auf dem sogenannten "Nötigungsmodell". Eine sexuelle Handlung galt demnach primär dann als strafbare Vergewaltigung (Art. 190 StGB) oder sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB), wenn das Opfer vom Täter mit Gewalt, Drohung oder psychischem Druck zu sexuellen Handlungen gezwungen wurde.
Dieses Modell stand international und national stark in der Kritik. Es berücksichtigte ungenügend, dass Opfer in Schockstarre verfallen oder aus anderen Gründen keinen physischen Widerstand leisten oder "Nein" sagen können, obwohl sie mit der sexuellen Handlung keinesfalls einverstanden sind.
Mit der Revision wurde das Nötigungsmodell verlassen und die sogenannte "Ablehnungslösung" im Gesetz verankert. Neu macht sich strafbar, wer sexuelle Handlungen vornimmt, obwohl das fehlende Einverständnis durch Worte, Gesten oder Schockzustand (Freezing) zum Ausdruck kommt.
Für potenzielle Opfer bedeutet das neue Gesetz eine Stärkung ihrer Rechte. Es wird anerkannt, dass ein "Nein" – ob verbal, durch Gesten oder durch einen Schockzustand ausgedrückt – respektiert werden muss.
Für potenzielle Täter bedeutet dies eine erhöhte Verantwortung, sicherzustellen, dass sexuelle Handlungen im gegenseitigen Einverständnis erfolgen. Das Übergehen eines erkennbaren "Neins" oder das Ausnutzen eines Schockzustandes kann schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben.
Es bleibt jedoch dabei, dass Sexualdelikte schwierig zu beweisen sind. Strafverfolgungsbehörden und Gerichte müssen das fehlende Einverständnis im Einzelfall würdigen.
Die Revision des Schweizer Sexualstrafrechts und die Einführung des "Nein heisst Nein"-Prinzips sind ein bedeutender Schritt zur Modernisierung des Gesetzes und zur besseren Berücksichtigung der Realität sexueller Gewalt. Die Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung im Gesetz ist ein wichtiges Signal.
Für detaillierte rechtliche Beratung im Zusammenhang mit Sexualstrafrecht ist es unerlässlich, sich an spezialisierte Anwälte oder Opferberatungsstellen in der Schweiz zu wenden.
Gepostet am 20. April 2025