Beim Programmieren auf die Hilfe von KI-Tools wie ChatGPT oder GitHub Copilot zurückzugreifen, ist populär. Doch welche rechtlichen Fragen ergeben sich in der Schweiz, wenn Code durch künstliche Intelligenz generiert wird? Ist solcher Code automatisch gemeinfrei ("open source")? Und darf ich ihn bedenkenlos verkaufen?
KI ist kein Urheber – reiner KI-generierter Code geniesst in der Schweiz wahrscheinlich keinen Urheberrechtsschutz.
Problem Trainingsdaten – KI kann unwissentlich geschützten Code aus den Lerndaten reproduzieren (oft Open Source).
Risiko Lizenzpflichten – Die Verwendung von Code aus Copyleft-Lizenzen (z.B. GPL) kann Ihre eigene Software beeinflussen.
Unsicherheit beim Verkauf – Blindes Vertrauen in KI-Code birgt rechtliche Risiken für kommerzielle Software.
In der heutigen Softwareentwicklung sind Tools, die Code generieren, erklären oder ergänzen, allgegenwärtig. Sie basieren auf leistungsfähigen KI-Modellen, die mit riesigen Mengen an bestehendem Quellcode trainiert werden. Dieser Trainingscode stammt oft aus öffentlich zugänglichen Repositories, einschliesslich solcher unter Open-Source-Lizenzen (OSL).
Nach Schweizer Urheberrechtsgesetz (URG) ist ein Werk eine "geistige Schöpfung der Literatur und Kunst mit individuellem Charakter" (Art. 2 URG). Diese Definition impliziert eine menschliche Schöpfertätigkeit. Die vorherrschende Meinung in der Schweiz (ähnlich wie in Deutschland und der EU) ist, dass eine künstliche Intelligenz selbst kein Urheber im Sinne des Gesetzes sein kann und dass ein rein von der KI erzeugter Output daher keinen Urheberrechtsschutz geniesst. Er wäre somit gemeinfrei.
Wenn Sie als Entwickler die KI jedoch als Werkzeug nutzen, um Ihren eigenen Code zu erstellen, zu erweitern oder zu überarbeiten, und das Ergebnis eine individuelle menschliche Schöpfung darstellt, dann liegt das Urheberrecht an diesem fertigen Code bei Ihnen.
Quellcode kann in der Schweiz durchaus urheberrechtlich geschützt sein, sofern er eine ausreichende "Individualität" aufweist. Einfacher "Trivialcode" (sehr grundlegende, standardisierte Befehle oder Strukturen, die jeder Programmierer kennt) erreicht diese Schwelle wahrscheinlich nicht. Komplexere Algorithmen, spezifische Implementierungen von Funktionen oder die Gesamtstruktur einer Software hingegen sehr wohl.
Genau hier liegt die rechtliche Unsicherheit, die auch im verlinkten Artikel beschrieben wird und für die Schweiz relevant ist: Die KI-Modelle sind mit Millionen von Codezeilen trainiert. Dabei lernen sie Muster und Strukturen, können aber in bestimmten Fällen auch Teile des Trainingscodes mehr oder weniger exakt reproduzieren.
Wenn die KI nun Code ausgibt, der urheberrechtlich geschützter Code aus den Trainingsdaten ist (sei es aus proprietärer Software oder unter einer OSL), und Sie diesen Code in Ihre Software integrieren, verwenden Sie potenziell fremdes urheberrechtlich geschütztes Material.
Viele Open-Source-Lizenzen, insbesondere solche mit "Copyleft"-Effekt wie die GNU General Public License (GPL), besagen, dass abgeleitete Werke oder Software, die diesen Code verwenden oder verlinken, ebenfalls unter dieselbe Lizenz gestellt werden müssen.
Wenn die KI unwissentlich GPL-lizenzierten Code reproduziert und Sie diesen in Ihre ansonsten proprietäre Software einbauen, besteht das Risiko, dass Ihre gesamte Software (oder zumindest Teile davon) gemäss den Lizenzbedingungen der GPL ebenfalls unter diese Lizenz gestellt werden muss. Sie wären dann verpflichtet, den Quellcode Ihrer Software zu veröffentlichen.
Nein, nicht in dem Sinne, dass der Output der KI selbst unter einer OSL steht. Wie gesagt, geniesst der reine KI-Output wahrscheinlich keinen Urheberrechtsschutz und ist somit gemeinfrei. Das Problem entsteht erst, wenn dieser gemeinfreie Output geschützten Code aus den Trainingsdaten enthält, der seinerseits unter einer OSL steht. Die "Ansteckung" mit der Open-Source-Lizenz erfolgt dann über den ursprünglich von einem Menschen geschaffenen und von der KI kopierten Code, nicht über die KI selbst als "Urheber".
Sie dürfen grundsätzlich Code verkaufen, den Sie selbst erstellt haben, auch wenn Sie dabei KI als Werkzeug genutzt haben. Die Herausforderung und das Risiko liegen darin, dass Sie unwissentlich Code verkaufen, der:
Direkt urheberrechtlich geschütztes Material Dritter enthält: Aus proprietären Quellen, ohne dass Sie dafür eine Lizenz haben (was eine klare Urheberrechtsverletzung wäre).
Material aus Open-Source-Code enthält: Insbesondere unter Copyleft-Lizenzen, dessen Lizenzbestimmungen Sie beim Verkauf oder der Lizenzierung Ihrer eigenen Software nicht einhalten (z.B. Veröffentlichung des Quellcodes gemäss GPL).
Da Anbieter von KI-Tools standardmässig keine detaillierten Quellenangaben zum generierten Code liefern können, wissen Sie als Nutzer oft nicht, ob und welcher Herkunft der Code ist, den die KI ausgibt. Diese Rechtsunsicherheit kann beim kommerziellen Einsatz von KI-generiertem Code zu Problemen führen.
Die Situation ist rechtlich noch nicht abschliessend geklärt, aber bis zu einer Klärung durch Gesetzgeber oder Gerichte ist Vorsicht geboten:
Fazit:
KI-generierter Code bietet grosse Vorteile, birgt aber urheberrechtliche Risiken, die nicht unterschätzt werden sollten. Das Fehlen eines Urheberrechts am reinen KI-Output bedeutet nicht, dass dieser frei von Rechten Dritter ist. Die Gefahr, unfreiwillig fremden, lizenzierten Code zu kopieren, ist real. Entwickler und Unternehmen, die KI-Code nutzen, bewegen sich derzeit auf rechtlich unsicherem Terrain. Eine sorgfältige Prüfung und ein bewusstes Vorgehen sind unerlässlich, um Urheberrechtsverletzungen und ungewollte Lizenzpflichten zu vermeiden.
KI-Code nutzen, ja - aber blindes Vertrauen kann teuer werden. Die rechtliche Situation ist komplex. Prüfen Sie sorgfältig, welchen Code Sie von der KI übernehmen, besonders wenn Sie ihn kommerziell nutzen möchten.
Gepostet am 24. April 2025